St. Petersburg, adieu
"Madam, your immigrationcard," die blonde Russin am CheckIn von Rossya reicht mir den halben Zettel für die Ausreise nach, den sie meinem Reisepass entnommen hat, ich stecke ihn wieder zwischen die Seiten.
M. hat vor mir eingecheckt, guckt jetzt nach seiner 'Immigrationcard', blättert seinen Reisepass durch, hin und her, sie ist nicht da. "I don't have my immigrationcard", ruft er auf die Russin zugehend. Sie blickt an ihm vorbei und zischt wie eine Schlange: "Whatdoyouwant?" - "You didn't give my immigrationcard back." - "I don't have it, I gave it back", zischt sie. - "I really know I had the card before", ruft er aufgeregt. - "I dont't have it", sagt sie kalt und schnell.
Ich gucke auf die Frau und sage dabei etwas zu M. "Speakenglish!" herrscht sie mich an, stählerne Augen, eine mächtige Hassmaschine. Wir stehen vor dem Schalter und sind fassungslos.
Jetzt wird's kompliziert, hier rauszukommen, rast es mir durch den Kopf, langwierig und teuer, diesen Flug kriegen wir schon mal nicht, erst muss neues Visum beantragt und bezahlt werden, neuer Flug gebucht werden, wahrscheinlich noch Strafe wegen verlorenem Immigrationswisch. Nervös blättere ich in meinem Reisepass. "Da ist sie ja", ruft M. und greift nach dem Zettel dazwischen. Tatsächlich, es ist seine Immigrationcard. Mir wird kurz schwarz vor Augen. "Deine? Und wo ist dann meine?" Er reisst mir den Pass aus den Händen, wühlt darin rum und findet ein paar Seiten weiter meine.
Offensichtlich hatte die Frau seinen Zettel zurückzugeben vergessen, ihn unauffällig in meinen Reisepass gesteckt und das nicht zugeben wollen. Oder sie tat es absichtlich. Vielleicht weil sie Deutsche hasst. Jedenfalls ist sie jetzt, als wir uns umdrehen, verschwunden.
In die Erleichterung mischt sich Beklemmung, so jemandem hilflos ausgesetzt zu sein - wenn auch zum Glück nur kurz.
Im Flugzeug bekommt jeder Passagier ein schwarzorange gestreiftes Bändchen überreicht, es ist ja 65. Jahrestag des Sieges über die Faschisten.

Vorbereitungen für die 65-Jahre-Siegfeier laufen auf Hochtouren. Alle Regenrohre am Newskij-Prospekt sind 2 m hoch frisch lackiert, das Gelb der Absperrgitter am Schlossplatz noch leicht klebrig.
Die Häuser am Newskij-Prospekt werden abgespritzt, das Erdrund vor der Kazankathedrale hübsch mit gerade blühenden Tulpen bepflanzt
Soldaten bringen Panzer auf Hochglanz.
Die Ismajlowfkikathedrale kurz vorm Gewitter.
Markthalle in Museumsnähe.
Wegen Regen liess es sich hier besonders gut aushalten, gelbe und grüne kandierte Früchte versüssen uns die nächsten Stunden des grauen Tages.
Viele prächtige Metrohallen, "Schlösser des Volkes".
Weltweit die am tiefsten gelegenen U-Bahntrassen. Eine zügige Rolltreppenfahrt in den Schlund dauert drei Minuten, wie das Video anzeigt, das ich mich zu machen traue.
Festdekoration am Schlossplatz.
Überall weisen Tafeln aufs Fest hin. Der alte Name der Stadt wird für solche Anlässe verwendet, er erinnert an die Sowjetzeit.
Miliz am Moskauer Bahnhof. Eine grössere Gruppe kam uns geordnet entgegen, sie stiegen in drei Mannschaftswagen und unter Polizeialarm fuhr der Konvoi ab.
Zug nach Riga im Moskauer Bahnhof.
Hinab in den Metroschlund.
Die Metro hält in genau zu den Türen passenden Wandöffnungen. Erst dachten wir, es wären lauter Fahrstühle.
Eine wunderschöne Wartehalle im Witebsker Bahnhof.
Rauschende Feste früherer Zeiten am Witebsker Bahnhof.
Türdetail mit gespiegelter Peter oder Paulkirche hinter der Newa.
Ganz brauchbar jetzt, dass ich mal die kyrillische Schrift gelernt habe: Institut Problem Elektrophysiki.
Hier kann man rauchen, vor der Tür der Schweizer Pension, hier gefällt es mir. Betritt man das Quartier, muss man die Schuhe ausziehen, frisch gelegte Dielen, alles sauber und gepflegt: schweizerisch.
Auf zum ersten Stadtgang. Die Wolken verziehen sich gerade, grosse Kulisse: Fontankistrasse.
Überall ist Miliz gegenwärtig.
In einem der vielen Theater wird "Maria Stuart" aufgeführt.
Wir gelangen zum Newskij-Prospekt. Hunger. Im ersten Laden gibt es nur erlesene Süssigkeiten.
Den Newskij-Prospekt immer weiter. Irgendwann eine Metrostation.
Kurz darauf die grösste Buchhandlung der Stadt.
Im ersten Stock das Café Singer. Hier war früher die russische Dependance von Singer Nähmaschinen. Beim Teetrinken Blick auf die Kasan Kathedrale.
Zum Beispiel die Abteilung "Altes Handwerk", kaputtes Geschirr wird zum Reparieren gebracht.
Zwischen den Blöcken glänzen die Mauern plötzlich in der Sonne.
Noch mehr Sonne. Mir wird augenblicklich ganz frohgestimmt zumute.
Hier hat Unilever sein Domizil aufgeschlagen. Eindrucksvoll.
Nachtisch im renommierten Felsenkeller, Tante Waltraut hatte die Grossfamilie eingeladen.

Überm Rhein aus Zug in HDR.
Kurz bevor sich die Pastorin im sanften Predigerton Fotos während der Andacht verbat.